Wenn es um die Brücke zu China und den chinesischen Studierenden in Bad Sooden-Allendorf geht, ist sie die Nummer eins: Li Wang, eine erfahrende Betreuerin, die seit rund drei Jahren im nordhessischen Kurort und über zehn Jahre bei der Blindow-Gruppe eine Mittlerin zwischen den Kulturen ist. Leise, stets fröhlich und hilfsbereit sorgt sie für viel Bewegung auf beiden Seiten.
? Vermisst Du die Arbeit als Geschäftsfrau – etwas, was Du ursprünglich gemacht hast?
Damit habe ich am Rande noch ein wenig zu tun, wenn ich die Zahlen unserer wachsenden chinesischen Studentenschaft organisiere. Tatsächlich habe ich das Fach in Peking nur studiert, weil dort ein Platz frei war. Ansonsten komme ich aus dem Norden Chinas, aus einer muslimischen Stadt, die sich Silbertal nennt und am Gelben Fluss liegt.
? In Deutschland wird viel über die wachsende Zahl muslimischer Mitbürger und Flüchtlinge diskutiert. Wie steht man dazu in China?
Bei uns ist es so: Chinesen freuen sich erst einmal, wenn Ausländer ins Land kommen. Da China nicht zu den reichsten Ländern zählte, gab es auch kein Konkurrenzgefühl oder gar Befürchtungen, Ausländer könnten Einheimischen etwas wegnehmen. Es kamen nur die Bessergestellten. Vielmehr ist man bis heute stolz, wenn jemand von außen sich für die chinesische Kultur interessiert. Ausländer sind bei uns einfach nur willkommen – es ist andererseits nicht vorgesehen, dass sie Sozialhilfe bekommen.
? Wie ging Dein Weg nach dem Studium in Peking weiter?
Ich war in unserer Hauptstadt zunächst selbstständig im IT-Bereich. Dann aber wollte ich endlich etwas richtig Schönes für mich tun. Ich finde Europa interessant wegen der Kultur. Nach einem Sprachkurs in Deutschland ergriff ich die Gelegenheit und blieb. Mein Bild von Europa speiste sich aus den Märchen der Gebrüder Grimm (lacht) – ja: kleine Häuser mit roten Dächern und schöner Musik stellte ich mir immer vor. Und jetzt bin ich sogar in einer Gegend gelandet, wo diese Märchenautoren gewirkt haben. Das muss Schicksal sein.
? Was hat Dir die deutsche Kultur am besten erschlossen?
Ich bin sehr neugierig, interessiere mich für Musik. Ich bin viel gereist, habe immer das Gespräch gesucht. Dann kommt man automatisch viel in Kontakt mit Menschen, lernt die Sprache schnell. Erntet viel Anerkennung. Denn, wer Deutsch spricht, weckt bei den Deutschen viel Sympathie.
? Deshalb organisierst Du hier ab und zu auch Einladungen der chinesischen Studenten in einheimische Familien?
Ja. Bei mir war Hausmusik eine Art Türöffner. Ich hatte oft Gelegenheit, dabei zu sein.
? Was gefällt Dir an Deutschland besonders?
Die Natur und die Landschaft, dass man überall im Grünen Spazieren und Fahrradfahren kann. Daran hänge ich sehr. Und immer wieder ist es die Musik in Deutschland, besonders die Hausmusik. Ich bin selber in einem Chor in der Nachbarschaft: Unsere Treffen schließen mit gemeinsamen Kochabenden ab. Auf den Weihnachtsfeiern singe ich alles gerne mit (und sie kennt erstaunlich viele Strophen ... Anmerkung der Redaktion) So oft gibt es Konzerte mit freiem Eintritt. In China ist das selten.
? Seit drei Jahren unterrichtest Du am Hauptsitz der Hochschule in Bad Sooden-Allendorf...
... seit über einem Dutzend Jahren arbeite ich für die Blindow-Gruppe. Ich war früher Geschäftsfrau – durch die Blindow-Gruppe habe ich mich auf Schüler neu ausgerichtet. Es ist ein schönes Gefühl, mit jungen Menschen zu arbeiten. Mir gefällt die Atmosphäre bei der Blindow-Gruppe. Viele haben mich dort sehr unterstützt. Damals begannen die deutsch-chinesischen Kulturprojekte mit Schülern und Schulleitern nahe Hongkong, in der Millionen-Stadt in Shenzhen Chin. Es ist eine junge, mittelgroße Stadt für chinesische Verhältnisse. Die Projekte von damals gehen bis heute weiter – ich übertrage sie jetzt in die DIPLOMA Hochschule.
? Inzwischen gibt es eine deutsch-chinesische Studiengruppe an der DIPLOMA. Wie ist sie entstanden?
Als ich bei der DIPLOMA anfing, gab es 30 chinesische Studenten. Mittlerweile sind es über 300. Da die Gruppe so schnell gewachsen ist, war mir klar: Studenten sollten zunehmend einen Teil der Organisation und Aufgaben für einander übernehmen. Es war alleine nicht mehr zu schaffen.
Jetzt organisiert die deutsch-chinesische Studiengruppe Projektwochen, Mathe-Nachhilfe, Feste wie zuletzt die Teilnahme am Ernte-Dank in Bad Sooden-Allendorf, demnächst wieder den interkulturellen Abend (s. u.) und das chinesische Frühlingsfest. In Tandems versuchen Deutsche Chinesisch und Chinesen Deutsch zu lernen. Es ist auch ein Konzept für eine deutsch-chinesische Hochschulzeitung entstanden. Das könnte noch ausgebaut werden.
? Welche Ideen findest Du besonders wichtig in der deutsch-chinesischen Partnerschaft auf Hochschulebene?
An erster Stelle: Mentalität und Kultur erklären. Viele chinesische Zeichen kennen selbst die Chinesen nicht so gut. Über solche Themen kommen sich die verschiedenen Kulturen schrittweise näher - auch China hat nicht nur eine, sondern über 50 offiziell anerkannte Minderheiten.
Es ist ein Lernprozess, der nicht nur mit der Sprache zu tun hat. Je öfter man gemeinsame Aktionen macht, desto besser kann man sich in den anderen hineinversetzen. An der DIPLOMA Hochschule wird das Fach „Interkulturelle Kompetenz“ nicht nur gelehrt: Diese schöne Herausforderung wird mitten auf dem Campus und in der Stadt als Aufgabe begriffen. Es macht mir große Freude, hierzu zusammen mit den Studenten Schicht für Schicht Neues zum Vorschein kommen zu lassen.
Am 02. Februar findet der nächste Interkulturelle Abend der DIPLOMA Hochschule in Bad Sooden-Allendorf statt. Studenten präsentieren ihre Heimatstädte, kochen chinesische Speisen. Auch Gäste sind eingeladen, Leckereien aus ihrer Region mitzubringen. Treffpunkt ab 18 Uhr: Am Hegeberg 2, in der Cafetería.
Fotos: © Frank Zerbst